Text und Fotos von Sebastian Olschewski
Update März 2017: Überwältigender Sieg der Bürgerinitiative und des NABU Heidelberg in Edingen‐Neckarhausen: Beim Bürgerentscheid am Sonntag, den 26. März, stimmten 3670 Wähler (32,8 Prozent) gegen das Neubaugebiet und für den Erhalt der Natur. Die Befürworter kamen auf 1840 Stimmen. Das Quorum des Bürgerentscheids ist damit erreicht und überschritten worden: Von den rund 11 000 Wahlberechtigten mussten mindestens 20 Prozent für das Anliegen der Bürgerinitiative stimmen.
Der Bebauungsplan ist damit erst einmal vom Tisch – der Gemeinderat darf sich drei Jahre nicht mit diesem Projekt beschäftigen.
Juli 2016: Für das Gebiet „Mittelgewann“, Gemeinde Edingen-Neckarhausen, besteht für den im Flächennutzungsplan als Entwicklungsfläche dargestellten Bereich ein Nutzungsvorschlag als Wohnbaufläche mit einer Größe von ca. 11 ha. Dieser Vorschlag befindet sich bereits im Flächennutzungsplan von 1983 (gemischte Bauflächen). Die Fläche liegt im Außenbereich.
Der NABU Heidelberg möchte die Öffentlichkeit über die Umweltbelange im Zusammenhang mit der vorgesehenen kommunalen Bauleitplanung im „Mittelgewann“ informieren, da dies bisher in der öffentlichen Diskussion aus unserer Sicht deutlich zu kurz gekommen ist.
Das im Fokus stehende Gebiet ist als reich strukturierter Übergangsbereich zwischen Feldflur und Siedlung zu charakterisieren. Der Siedlungsrand mit Ackerflächen, Streuobstparzellen und
Feldgärten ist typisch für das „Mittelgewann“. Als markantes Einzelelement grenzt der Wasserturm im Osten des Plangebiets an. Auf dem Gelände stocken zahlreiche alte, z.T. totholzreiche Obstbäume
(wie Birne, Walnuss, Kirsche). Im südlichen Bereich befindet sich eine kleine Pferdekoppel mit zusätzlicher Schafbeweidung. Der vorherrschende Bodentyp ist als brauner Auenboden aus tonigem,
schluffigem Lehm zu bezeichnen.
Das Gebiet ist für den regionalen Natur- und Umweltschutz von großer Bedeutung.
Das Gebiet unterliegt keiner Flächenschutzkategorie (z. B. Naturschutzgebiet) o. Ä. Es befinden sich keine gesetzlich geschützten Biotope im Bereich „Mittelgewann“. Aus Sicht des NABU sind folgende Schutzgüter im Gebiet zu betrachten (angelehnt an Landschaftsplan für das Verbandsgebiet des Nachbarschaftsverbandes Heidelberg-Mannheim (August 1999)):
Der Landschaftsplan stuft die beabsichtigte Bebauung als wenig vereinbar mit dem Erhalt und der Förderung der oben genannten Schutzgüter ein (siehe Anhang). Insbesondere für die
Schutzgüter Boden sowie Flora und Fauna birgt die Planung ein hohes Konfliktpotenzial. Bei Umsetzung der Planungen in Form von Bebauung und Versiegelung droht ein Verlust von Böden mit sehr hoher
Puffer- und Filterkapazität. Ebenso schwer wiegt der Verlust von landwirtschaftlicher Nutzfläche mit hoher bis sehr hoher Ertragsfunktion. Eine Minderung der Grundwasserneubildungsrate als auch
verstärkter Oberflächenabfluss wird zu erwarten sein.
Klimatisch und lufthygienisch droht der Verlust von Ausgleichsflächen zum Siedlungsklima in Form von einem Kaltluftentstehungsgebiet.
Aus Sicht des NABU ist der zu befürchtende Verlust typischer Siedlungsrandbiotope besonders gravierend. Eine sehr hohe Schutzwürdigkeit kommt den alten Obstbaumbeständen zu, die fast vollständig innerhalb des künftigen Bebauungsplanbereichs liegen. Die im „Mittelgewann“ vorhandenen Streuobstbestände sind in der intensiv landwirtschaftlich genutzten Neckar-Rheinebene besonders schutzwürdig.
Der NABU prognostiziert hohe Konflikte mit dem Arten und Biotopschutz, die über die bisher genannten Ausgleichsflächen von ca. 4 ha hinausgehen werden. Der besondere Artenschutz (§ 44 BNatSchG) ist bei den bisher genannten Flächengrößen unserer Meinung nach nicht berücksichtigt, sodass ein weitaus höherer Flächenbedarf anzusetzen ist. Insbesondere die potenziellen Vorkommen von Zauneidechse, diversen Fledermausarten und streng geschützten Vogelarten machen eine artenschutzrechtliche Ausgleichsplanung kompliziert. Bei Verwirklichung der Planung werden umfassende Kompensationsmaßnahmen notwendig.
Der künftige Geltungsbereich des Bebauungsplanes überplant knapp 10 Kernflächen des landesweiten Biotopverbundes (mittlerer Standorte). Die Darstellung der Flächen im Fachplan
„Landesweiter Biotopverbund“ (siehe Anhang - nur im pdf unten enthalten) unterstreicht die sehr hohe Bedeutung der Fläche für die Vernetzung von Lebensräumen. Auch das Rahmenkonzept Biotopverbund
des Nachbarschaftsverbandes weist das „Mittelgewann“ als Schwerpunktbereich für Biotoperhaltung und -verbesserung aus. Es hebt die gute Biotopausstattung in hoher Komplexität und
die damit verbundene Bedeutung als Lebensräume gefährdeter Arten hervor.
Als Erhaltungs- und Entwicklungsziel wird ein Streuobstgürtel sowie strukturreiche Feldflur genannt. Eine Bebauung würde diese wichtigen Funktionen vollständig entwerten.
Ebenfalls relevant ist die Erholungsfunktion für die Bürgerinnen und Bürger. Die Fläche ist sehr gut zu erreichen und liegt siedlungsnah. Hier sehen wir ebenfalls erhebliches
Konfliktpotenzial.
Bei einer ersten Vorbegehung wurden vom NABU bereits einige besondere Lebensraumelemente festgestellt. Besonders der Höhlenreichtum in den alten Obstbäumen ist beachtlich. Grünspecht,
Grauschnäpper und Gartenrotschwanz konnten bereits als sichere Brutvögel nachgewiesen werden. Auch die streng geschützte Waldohreule konnte festgestellt werden und ist sehr wahrscheinlich
Brutvogel im „Mittelgewann“. Für die deutschlandweit stark gefährdeten Arten Wendehals sowie Steinkauz sind sehr gut geeignete Lebensräume vorhanden. Für letzteren sind die nächsten Brutvorkommen
auf der Gemarkung Edingen-Neckarhausen keine drei Kilometer entfernt!
Für die Artengruppen Fledermäuse (Nachweise als Jagdhabitat mehrere Zwergfledermäuse liegt durch Detektorbegehung vor) und Totholzkäfer hat das Gebiet „Mittelgewann“ nach
Einschätzung des NABU Heidelberg ebenfalls eine besondere Bedeutung.
Das Areal „Mittelgewann“ hat für verschiedene Schutzgüter eine mittlere bis sehr hohe Bedeutung. Eine Überbauung ist aus Sicht des NABU nicht mit dem Erhalt dieser wichtigen Flächenfunktionen
vereinbar. Im Landschaftsplan des Nachbarschaftsverbands werden die städtebaulichen Absichten im „Mittelgewann“ wie folgt zusammengefasst: „Hohe Konflikte, Beeinträchtigung nur durch
Flächenreduzierung, Nutzungsbeschränkungen und / oder umfassende Kompensationsmaßnahmen vermeid-, minder- oder ausgleichbar“. Insbesondere sehen wir eine Kompensation der alten, höhlenreichen
Obstbaumbestände für unmöglich an.
Auch durch Ersatzpflanzungen sind die Eingriffe in diese Baumbestände nicht ausgleichbar, da eine vergleichbare ökologische Wertigkeit erst wieder nach Jahrzehnten erreicht werden könnte.
Fazit / Forderungen
LUBW LANDESANSTALT FÜR UMWELT, MESSUNGEN UND NATURSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG. Daten- und Kartendienst; http://udo.lubw.baden-wuerttemberg.de
Landschaftsplan für das Verbandsgebiet des Nachbarschaftsverbandes Heidelberg-Mannheim (1999): http://www.nv-hd-ma.de/landschaft/landschaft_plan.html
Fachkonzept zum Landschaftsplan für das Verbandsgebiet des Nachbarschaftsverbandes Heidelberg-Mannheim: http://www.nv-hd-ma.de/landschaft/landschaft_plan.html
SÜDBECK, P., ANDRETZKE, H., FISCHER, S., GEDEON, K., SCHRÖDER, K., SCHIKORE, T. & SUDFELDT, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands, Radolfzell, 792
Seiten.
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Lesen Sie dazu auch den Artikel von Nicoline Pilz
in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 19. Juli 2016 hier.
Letzte Aktualisierung: 01.04.2017 (MP)