Von Hans-Martin Gäng
Wenn etwas Gutes entstehen soll, müssen oft mehrere interessierte Personen eng zusammen arbeiten und miteinander gut harmonieren. Das ist am 14. Februar 2017 in vorbildlicher Weise am Turm der
katholischen Stadtkirche St. Michael in der Südstadt gelungen.
Der Stahlbetonturm, freistehend als „Campanile“ neben der Kirche, ist innen völlig hohl und besitzt weder Uhr noch Glocken! Dem quadratischen Grundriss folgend führt im Inneren umlaufend eine
Treppe – die auf halber Höhe endet.
Als dieser Turm 1963 fertig gestellt wurde, wurde – sicherlich in bester Absicht – auf der Ostseite im Turminneren hinter den Schallbrettern, die als Attrappen funktionslos sind, ein Nistkasten für Turmfalken eingebaut. Dieser wurde sofort von Turmfalken angenommen und seit fünf Jahrzehnten flogen zahlreiche Turmfalken aus diesem Nistkasten in den Heidelberger Himmel.
Aber jede Installation von Menschenhand muss irgendwann auch wieder von Menschenhand gepflegt und gegebenenfalls repariert werden. Weil die Treppe im Inneren des Turmes auf halber Höhe endet, blieb dieser Nistkasten nach der Fertigstellung des Turms seit 54 Jahren für Menschen unerreichbar.
Vor einigen Jahren spaltete sich durch Austrocknung der hölzerne Boden des Nistkastens und bald stürzten Falkenküken, die noch nicht flügge waren, durch den sich vergrößernden Spalt hinunter in das Dunkel des Turminneren, um auf dem Boden zu verhungern.
Dieses Unglück traf auch zwei junge Schleiereulen, als der Nistkasten vor einigen Jahren von einem Schleiereulenpaar besetzt war. Nur eines der Küken konnte noch gerettet werden.
Petra Gantert, die mit Freunden und Familie diese schlimme Situation seit langem mit Sorge beobachtet, wandte sich vor einem Jahr an den Betreuer des Wanderfalken-Nistkastens auf der Heiliggeistkirche, den städtischen Naturschutzwart Hans-Martin Gäng. Mit ihm bemühte sich das Arbeitsteam des „Arbeitskreises Greifvögel“ des Heidelberger NABU mit dem Naturschutzwart Volker Voigtländer und dem Techniklehrer i.R. Reinhard Reetz um eine Lösung. Wie sollte man den schadhaften Nistkasten in ca. 50 m Höhe erreichen?
Erst im Januar 2017, als auch die „Seelsorgeeinheit Philipp Neri“ mit Pfarrer Christof Heimpel und die Kirchenverwaltung ihre Zustimmung zu Maßnahmen für den Vogelschutz gaben, kam die Initiative von Frau Petra Gantert zu einem großartigen Erfolg!
Bei einem Ortstermin mit dem Stadtteilverein, der Pfarrgemeinde, der Feuerwehr, deren Drehleiter aber nicht bis in diese Höhe reichte, dem Arbeitsteam des Heidelberger NABU und engagierten Bürgern der Südstadt kam es zu einer schnellen Lösung: Der Zimmermann Alexander Kamm (Fa. Holzbau Sohl) sagte zu, dass er mit der Gerüstbaufirma Reinhardt, Schriesheim, kostenfrei und fachgerecht im Turminneren ein Gerüst erstellen könne, so dass die Greifvogelschützer Reinhard Reetz und die Naturschutzwarte Volker Voigtländer und Hans-Martin Gäng den maroden Nistkastenboden reparieren könnten!
Der NABU Heidelberg finanzierte den Bau eines neuen Turmfalken-Nistkastens und zweier Nistkästen für Mauersegler dank einer Spende der Klaus Tschira Stiftung an den NABU Heidelberg. Zudem wurde ein Nistkasten für Schleiereulen angeschafft. Alle Kästen konnten bei zwei Arbeitseinsätzen in luftiger Höhe durch das zur Verfügung gestellte Gerüst vom Arbeitsteam des „Arbeitskreis Greifvögel“ im Turminneren montiert werden.
„Wir haben in Heidelberg und Umgebung an Gebäuden und Türmen in den letzten Jahren zwei Dutzend Nistkästen installiert, auch diese an St. Michael werden nun für lange Jahrzehnte der heimischen Vogelwelt dienen“, so Reinhard Reetz.
"Hier kam bürgerschaftliches Engagement von Idealisten perfekt zusammen!“ freut sich Hans-Martin Gäng.
„ Eine aufmerksame Bürgerin, die nicht länger dulden will, dass kaum geschlüpfte Turmfalken und Eulen jämmerlich in einem dunklen Turm verhungern, findet verständnisvolle Kirchenverantwortliche, den Stadtteilverein und einen großherzigen Handwerker, der Gerüst, Zeit und Arbeitskraft zur Verfügung stellte.“
„Dank Frau Ganterts Ausdauer und ihrem engagierten Netzwerk gibt es jetzt im Turm von St. Michael langfristig gesicherte, stabile Brutplätze, die hoffentlich ganz schnell entdeckt und angenommen
werden", lobt Volker Voigtländer die ergebnisreiche Zusammenarbeit. Das ist der erste Kirchturm in unserer Region, der in den Genuss eines „Klaus-Tschira-Kastens“ kommt.
Für uns ehrenamtliche Vogelschützer war diese Aktion eine große Freude. Gemeinsam mit dem Stadtteil konnten wir einen Treffpunkt und eine wichtige Kinderstube der Vogelwelt in der
Heidelberger Südstadt auf lange Zeit sichern. Und in einigen Jahrzehnten werden sich bestimmt ebenso engagierte Vogelfreunde finden, die unsere Arbeit dort oben auf ähnliche
Weise fortsetzen werden, falls dann unsere Arbeit renovierungsbedürftig sein wird.
Letzte Aktualisierung: 27.02.2017 (MP)