Text und Fotos von Claudia Zieboll
Es gibt ganz unterschiedliche Schatzsucher. Sind die einen am Altrhein auf Goldsuche unterwegs oder halten im Fränkischen nach Fossilien Ausschau, wollen andere nicht unbedingt „Trophäen“
mit nach Hause bringen. Sie erfreuen sich an Reichtümern ganz besonderer Art – botanische und faunistische Raritäten. Erfolg und Glück liegen dabei allein im Entdecken. Wie bei Edelsteinen gilt
auch hier: Je seltener die Art, umso kostbarer der Fund.
Für dieses Abenteuer, das im unmittelbaren Umfeld von Heidelberg beginnen kann, braucht man nichts weiter als feste Schuhe, evtl. auch Fernglas und Lupe. Faszinierende Lebensgemeinschaften lassen sich fast das ganze Jahr über aufspüren und beobachten. Ehrenamtliche NABU-Aktive bieten hierzu regelmäßig Exkursionen an. Fündig wird man in Wäldern und Auen, Kleingewässern und Feuchtgebieten, auf Binnendünen, Trockenrasen und Streuobstwiesen, an Mauern oder Ufern. Jede Art steht für die Vielfalt der Natur und ist Teil eines wunderbaren Kreislaufs.
In unserer Region, mit ihrer hohen Dichte ganz unterschiedlicher Lebensräume gibt es vielschichtige Herausforderungen, dem anhaltenden Artenrückgang entgegen zu wirken.Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) startete 2012 in den Ländern Baden-Württemberg, Rheinland Pfalz und Hessen das 6-Jahres-Projekt zum Schutz der Artenvielfalt: „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“. Im Vordergrund stehen Ausbau und Vernetzung von Biotopen sowie Verbesserung ihrer ökologischen Funktion. Maßnahmen sind z. B. Vermehrung seltener Pflanzenarten, Anlegen von Kleingewässern, Entwicklung von Grünland, Sicherung und Neuentwicklung von Auwäldern und Altholzbeständen, Entschlammung, Uferneugestaltung .... und nicht zuletzt Aufklärungsarbeit.
Das „Hotspot-Projekt“ im Bundesprogramm Biologische Vielfalt wird vom Bundesumwelt-Ministerium gefördert. Partner sind die NABU-Landesverbände Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Maßnahmen im hessischen Teil werden vom NABU Rheinland-Pfalz mitbetreut. Das länderübergreifende Vorhaben wird durch das Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt ermöglicht. Unterstützung leisten die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen.
Sandiges „Ödland“ beherbergt eine an die extremen Standortverhältnisse angepasste, spezifische Lebensgemeinschaft: Eine Vielzahl Wärme liebender Pflanzen- und Tierarten, die bei Hitze und
Trockenheit unterschiedlichste Überlebensstrategien entwickeln. Bis in den Herbst hinein herrscht in unseren Binnendünen für den aufmerksamen Beobachter Hochbetrieb.
Man muss schon sehr genau hinsehen, um die Schönheit der kleinwüchsigen Sandflora samt ihrer Bewohner wahrzunehmen.
Um Feinde abzuschrecken, hängen die rot-schwarz gezeichneten Schwalbenwurz-Wanzen in dicken Trauben an den Blättern der Schwalbenwurz. Ameisen, Eidechsen und seltene Spinnenarten, wie z.B. die Rote Röhrenspinne, huschen über den heißen Sand. Bunte Raupen und Heideschnecken erklimmen trockene Stängel, Ameisenlöwen lauern auf Beute in ihren Fangtrichtern.
Und welch himmelblaue Geschöpfe schwingen sich da und dort in die Luft, um kurz darauf unserem Blickfeld zu entschwinden? Es sind blauflügelige Ödlandschrecken (Oedipoda caerulescens), deren hellblaue Flügelunterseite nur für einige Flugsekunden aufleuchtet. Und schon tauchen sie mit ihren genialen Tarnfarben zwischen Steinen, Sand und trockenem Gras unter. Nur wer Flug und Landung verfolgt, kann die graubraunen bis ockerfarbenen Hüpfer am Boden entdecken. Im NSG Hirschacker bei Schwetzingen gibt es diese Schreckenart noch zu Hauf, deutschlandweit steht sie jedoch auf der Liste der gefährdeten Arten. Bei Sonnenschein zeigt sich mit etwas Glück der große Dünen-Sandlaufkäfer (Cicindela hybrida) mit seinen gewaltigen Beißwerkzeugen. Der kupferfarben bis grünlich schimmernde Räuber ist von April bis Oktober unterwegs. Es lohnt sich, in unseren Sandbiotopen zu verweilen, um in diesen fantastischen Mikrokosmos mit allen Sinnen einzutauchen.
Mehr Informationen zum Projekt und unserer lokalen Hotspot-Region "Nördliche Oberrheinebene mit Hardtplatten" finden Sie auf dieser Unterseite.
Besonders schützenswerte Biotope entwickeln sich auch gern auf sich selbst überlassenen, noch nicht verbuschten Flächen. Samen, die jahrelang in der Tiefe schlummerten, brechen auf, frische können sich entfalten, verschollene Arten kehren zurück. So z.B. auf dem verlassenen ehemaligen US-Militärgelände „Coleman-Barracks“ im Mannheimer Norden. Hier wurden letztes Jahr bei Kartierungen 160 Tier- und Pflanzenarten der Roten Liste Baden-Württembergs erfasst.
Zwischen neu erwachtem Grün fanden viele Heuschrecken- und Wildbienen-Arten, Käfer und seltene Spinnen Schutz und Nahrung. Eine ganz besondere Überraschung war die ungewöhnlich hohe Anzahl an Brutplätzen von Grauammer und Braunkehlchen. Solche „Schatzinseln“ gilt es zu pflegen und zu optimieren, um die Bestände der geschützten Arten zu erhalten und zu vermehren. Dies sind nur zwei Beispiele unserer vielen wunderbaren Biotope, durch die wir oft blind und unwissend herstolpern.
Großen Wert legt das Projekt „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“ auf Mitwirkung der Bevölkerung. Jung und Alt sollen über Schönheit und Gefährdung ihrer
Heimat aufgeklärt werden, um sie für dessen Schutz zu sensibilisieren und zu begeistern. Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, diese Arbeit zu unterstützen. Informationen hierzu gibt es auf
Exkursionen, Wander- oder Radtouren zu Naturerlebnis-Biotopen, bei Ausstellungen, Mitmach-Ständen oder auf Aussichtstürmen. Die Ausbildung zu
Biodiversiätsbotschafter/in ist ein weiteres Angebot, mit dem sich freiwillige Helfer für wichtige Aufgaben qualifizieren oder auch in ihrem eigenen Umfeld für Erhalt und Förderung der
Artenvielfalt engagieren können.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt, aber
Vieles, was nicht glänzt,
ist goldwert.
Letzte Aktualisierung: 17.08.2015 (MP)