Heidelberg, 13. Januar 2021
Text: Volker Voigtländer
Eulen faszinieren. Ihre lautlosen nächtlichen Jagdflüge, ihr feines Gehör, ihr scharfer Blick und ihre eindringlichen, zuweilen unheimlichen Rufe in der Dunkelheit machen uns schaudern und neugierig zugleich. Im antiken Griechenland galten sie als Glücksbringer und Vögel der Weisheit, im Mittelalter als Unglücksboten, Totenvögel und Begleiter von Hexen und Teufeln. Bis in die Neuzeit wurden sie Opfer von Aberglauben und Ängsten.
Heute weiß man mehr. Eulen sind bei uns seit vielen Jahren streng geschützt.
Und dennoch geht es den meisten von ihnen nicht gut. Der zunehmende Verlust ihrer natürlichen Lebensräume, flurbereinigte Landschaften ohne schützende Rückzugszonen sowie der stetig zunehmende Flächenverbrauch durch Industrie und Verkehr haben zu einem bedenklichen Bestandsrückgang geführt. Einzige Ausnahme: der Uhu. Die weltweit größte Eule war Mitte des letzten Jahrhunderts in Deutschland beinahe ausgestorben. Gezielte Schutzmaßnahmen, Nachzucht in Gefangenschaft und Auswilderung haben bundesweit inzwischen zu einer erstaunlichen Bestandserholung geführt, eine der wenigen Erfolgsgeschichten gezielten Artenschutzes.
Von den weltweit ca. 200 Eulenarten, leben nur 13 in Europa und nur 5 in und um Heidelberg, von gelegentlichen Durchzüglern abgesehen. Bei uns sind das der Uhu, der Waldkauz, die Waldohreule, die Schleiereule und der Steinkauz.
Der „Arbeitskreis Greifvögel und Eulen“ beim Naturschutzbund (NABU) Heidelberg kümmert sich seit vielen Jahren um die Sicherung bekannter und um die Einrichtung neuer Eulenbrutplätze. Für dieses Ziel reicht unser ehrenamtliches Engagement allein nicht aus, es bedarf auch erheblicher finanzieller Unterstützung. Und hier sprang dankenswerterweise die Klaus Tschira Stiftung, Heidelberg, ein.
Am 24. November 2015 hatte uns eine besonders frohe Botschaft erreicht: Der NABU Heidelberg erhielt die Zusage für eine Sonderförderung von 15.502,71 Euro im Rahmen der „Aktion Extra“ im
Jubiläumsjahr der Klaus Tschira Stiftung für das Projekt Eulen nach Heidelberg
tragen – Eine Initiative für Tiere der Nacht.
Diese, für Sachkosten bestimmte, großzügige Förderung wurde zur Initialzündung einer Vielzahl von Aktivitäten unseres Arbeitskreises „Greifvögel und Eulen“, über die hier nun berichtet werden
soll.
Eulen bauen keine Nester. Gezielte Schutzmaßnahmen sind daher vor allem in Form stabiler Nisthilfen sinnvoll. Das gilt für drei der genannten Eulenarten, für die Schleiereule,
den Waldkauz und den Steinkauz.
Die Waldohreule findet ausreichend Brutplätze, vor allem in ehemaligen Krähen- und Elsternnestern und dem Uhu geht es hier sehr gut; er besetzt inzwischen nahezu alle
aufgelassenen Steinbrüche zwischen Eberbach und Schriesheim. Dabei hat er nicht nur den Wanderfalken aus vielen seiner Felsenquartiere vertrieben, er stellt auch eine große Gefahr für seine
durchweg kleineren und körperlich unterlegenen Verwandten dar.
Jahre Eulen nach Heidelberg
Die drei im Rahmen des Tschira-Projekts geförderten Heidelberger Eulenarten sollen nun in den folgenden Kurzporträts dargestellt werden – zusammen mit unseren
Hilfen, den Erfolgen und Misserfolgen.
Es gibt ihn noch in Heidelbergs Wäldern. Doch nicht mehr so häufig wie in den vergangenen Jahren. Der Waldkauz (Strix aluco) brütet bevorzugt in Höhlen alter Bäume. Solche fallen leider immer wieder forstwirtschaftlichen Maßnahmen zum Opfer. So wurden durch den radikalen Rückschnitt zweier Brutbäume im Schlosspark und an der Heiligenbergstraße langjährige Nistplätze zerstört.
Als sog. Ausgleichsmaßnahme haben wir in unmittelbarer Nachbarschaft inzwischen zwei „Tschira-Kästen“ montiert. Die Aktionen waren nur mit Hilfe von Hubsteigern möglich.
Seit 2015 haben wir im Heidelberger Stadtgebiet insgesamt 11 Waldkauzkästen installiert. Die Auswahl der Standorte erfolgte im nahen Umkreis nachgewiesener Kauzrufe, so am Philosophenweg, an der Heiligenbergstraße, auf der Boschwiese und der Kohlhofwiese, im Schlosspark, im Park des Astronomischen Rechenzentrums in Neuenheim, im Schlierbacher Wald, im Handschuhsheimer Wald und im Wald unterhalb der Molkenkur.
Ob die Kästen angenommen wurden, konnte noch nicht nachgeprüft bzw. bewiesen werden. Eine Kontrolle des Bruterfolgs ist schwierig und letztlich nur durch vielstündige Beobachtungen vor Ort möglich, da die Kästen in gefährlichen Höhen angebracht wurden.
Mit ihrem herzförmigen Schleier und dem auffallend hellen Federkleid gilt die Schleiereule (Tyto alba) als die schönste unserer Eulen. Als Kulturfolger ist sie auf menschliche Behausungen angewiesen, auf Scheunen, offene Dachböden und Kirchtürme. Sie ernährt sich fast ausschließlich von Mäusen.
Mit der Intensivierung der Landwirtschaft und dem Verlust angestammter Brutplätze durch Abriß und Sanierungsmaßnahmen setzte überall in Deutschland ein bedrohlicher Bestandsrückgang ein.
Durch gezielte Schutzmaßnahmen, vor allem in Form von Nistkästen konnte und kann jedoch effizient geholfen werden.
Die bisherige Entwicklung der Schleiereulenpopulation im Heidelberger Raum durch die Tschira-geförderten Maßnahmen kann sich sehen lassen. Wir haben bis heute in und um Heidelberg insgesamt
21 Schleiereulenkästen in Scheunen, Kirchtürmen und Lagerhallen eingebaut, z. B. im Handschuhsheimer Feld, zwischen Wieblingen und Edingen-Neckarhausen, im Grenzhof, im
Schwabenheimer Hof und auf dem Kohlhof.
In fünf dieser Kästen gab es bereits in der Folgesaison Nachwuchs. Das ist ein erstaunlicher Erfolg, zumal die Siedlungs- und Verkehrsdichte im Rhein-Neckar-Raum keineswegs ideale Ausgangsbedingungen bietet. Förderlich war allerdings die Tatsache, dass es sich 2019 und 2020 um „gute Mäusejahre“ gehandelt hat, denn das saisonale „Mäuseangebot“ bestimmt fast ausschließlich die Gelegegröße und die Zahl der Bruten.
Sorge um eine gesicherte Zukunft der Heidelberger Schleiereulen bereitet allerdings die zunehmende Verbreitung des Uhus in unserer Region. Gegen den mächtigen nächtlichen Jäger hat die wesentlich kleinere Schleiereule keine Chance, vor allem beim Beuteflug auf freiem Feld, wenn abgelenkt und ungeschützt.
Der kleine Steinkauz (Athene noctua) ist die Eule, die man sprichwörtlich nicht nach Athen tragen muss, denn dort lebt sie schon seit Jahrtausenden als Sinnbild der Weisheit und Begleiterin der Göttin Athene. Bei uns in Heidelberg leider nicht mehr. Wir versuchen seit vielen Jahren geradezu verzweifelt, den Kauz wieder hierher zu „tragen“, war er doch bis in die späten 1980er Jahre häufiger und regelmäßiger Brutvogel im Stadtgebiet, ganz besonders in den naturbelassenen Gärten im Neuenheimer Feld.
Die Ausdehnung der Universität und die zunehmende Intensivierung der Garten- und Landwirtschaftsbetriebe haben zu einem kompletten Bestandseinbruch geführt. Bis heute ist keine Brut mehr im Neuenheimer Feld nachgewiesen worden, auch nicht an den früheren Standorten in Handschuhsheim, Dossenheim und Kirchheim.
Eine erste und leider nur einmalig erfolgreiche Brut gab es allerdings im Frühsommer 2015 bei Wieblingen in einer von uns installierten Brutröhre. Ein erneuter Brutversuch im
Folgejahr scheiterte aus unbekannten Gründen, seither wurden dort keine Steinkäuze mehr beobachtet.
Vielleicht ist es doch noch nicht zu spät. So hat es in den letzten Jahren vor den Toren Heidelbergs mindestens zwei Bruten gegeben, in Neckarhausen und in Neubotzheim. Nachdem inzwischen auch
wieder vereinzelt Steinkauzrufe im Handschuhsheimer Feld und in der Umgebung des Schwabenheimer Hofs zu hören sind, wächst die Hoffnung auf eine Rückkehr der
kleinen Eule nach Heidelberg. Unerlässlich dafür ist ein ausreichendes „Wohnungsangebot“.
Unser Arbeitskreis hat daher in den letzten Jahren mit Unterstützung der Klaus Tschira Stiftung insgesamt 35 Brutröhren in den landwirtschaftlich genutzten Randzonen Heidelbergs
in geeigneten Bäumen installiert, so in Kirchheim, Rohrbach, Wieblingen, am Stift Neuburg wie auch im Handschuhsheimer und im Neuenheimer Feld.
Die Bilanz nach inzwischen 5-jähriger Förderung unseres Eulen-Projekts durch die Klaus Tschira Stiftung ist insgesamt erfreulich.
Der Waldkauzbestand erscheint stabil, wenn auch auf niedrigerem Niveau als noch zur Jahrtausendwende. Die im Heidelberger Stadtwald montierten Nistkästen bieten ausreichend Brutplätze. Ob einige von diesen inzwischen entdeckt und bezogen wurden, wollen wir in den nächsten Jahren durch Kontrollen vor Ort überprüfen. Der Lebensraum für den Waldkauz ist weniger gefährdet als der für die Schleiereule und den Steinkauz.
Unsere Schutzmaßnahmen für die Schleiereule waren bisher unerwartet erfolgreich. In mindestens fünf „Tschira-Kästen“ wurden Jungeulen großgezogen, aus einem sechsten Kasten haben
allerdings Turmfalken das Eulenpaar vertrieben.
Sorgen macht uns immer noch der Steinkauz. Seine ehemaligen Heidelberger Brutquartiere sind nach wie vor verwaist. Allerdings verdichten sich in letzter Zeit die Anzeichen für
eine bevorstehende Rückkehr. Vermehrt registrieren wir nächtliche Rufe in Heidelbergs unmittelbarer Nachbarschaft.
Einer Eulenart geht es in unserer Region besonders gut – dem Uhu. Sein Beutespektrum umfasst alle kleineren, hier vorgestellten Eulenarten. Die langfristigen Auswirkungen sind
noch nicht abschätzbar. Im Turm der Konkordienkirche mitten in Mannheim balzt seit wenigen Tagen ein Uhu-Paar. Sollte dieses dort auch zur Brut schreiten, wäre das ein Novum im Rhein-Neckar-Raum.
In dem kameraüberwachten Kasten der Kirche brüten seit 1994 Wanderfalken, im Kampf gegen die Uhus wären sie chancenlos.
Verwendete Nistkasten-Typen für das Projekt „Eulen nach Heidelberg tragen“.
Einige wenige davon befinden sich noch im NABU-Zentrum und werden in den kommenden Monaten an geeigneter Stelle angebracht.
Ein Dank…
…an die Fotografen: Manfred Eimers, Gisela Fuchs und Volker Voigtländer
…an die Aktiven im „Arbeitskreis Greifvögel und Eulen“ vom NABU-Heidelberg.
… an Maike Petersen und Sebastian Olschewski, die 2015 den Projektantrag geschrieben und in allerletzter Minute kurz vor Mitternacht bei der Klaus-Tschira-Stiftung eingereicht
haben.
Letzte Änderung: 16.02.2021 (MP)