Liebe Mauerseglerfreundinnen und - freunde,
„Das ist die schlimmste Saison ever“, so Frau Dr. Christiane Haupt, Leiterin der Frankfurter Mauerseglerklinik, in einem Beitrag der Frankfurter Rundschau vom 13.08.2019.
Wie wahr und wie traurig!
Und wieder einmal waren es Wetterextreme, die unseren Seglern das Leben so schwer gemacht haben. Der nasskalte Mai verzögerte nicht nur deren Rückkehr, er forderte auch unzählige Hunger- und Kälteopfer, insbesondere in Italien und Spanien.
Dann kam schon Ende Juni die erste Hitzewelle mit Spitzenwerten um die 39°C. Die Folge: eine ungewöhnlich frühe Flucht unfertiger Seglerküken aus ihren überhitzten Dachquartieren und damit einhergehend eine Überlastung unserer Aufzuchtkapazitäten innerhalb weniger Tage.
Bild links: Hungernde und frierende Mauersegler im Energiesparmodus (Barcelona, Mai 2019).
Die Situation verschärfte sich nach kurzer Beruhigung noch zusätzlich mit der zweiten Hitzewelle ab Mitte Juli, dem heißesten Juli in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1880.
In Anbetracht dieser besonders schwierigen Bedingungen ist es allerdings so erstaunlich wie erfreulich, dass aus fast allen Heidelberger Stadtteilen „gefühlt“ deutlich mehr Mauersegler gemeldet
wurden, als im Vorjahr.
Unser Arbeitskreis hat allein im Großraum Heidelberg 78 (2018: 62) neue Mauerseglerbrutplätze geschaffen bzw. deren Installation beratend begleitet und weitere 8 durch Dachsanierungen gefährdete „Stammquartiere“ erhalten und stabilisiert (Beispiele s. Abbildungen).
Hinzu kommen die auf Initiative von Kirsten Dressel 94, vor allem in Rohrbach neu eingerichteten und 13 erhaltenen Nistplätze:
Die Heidelberger Bilanz 2019 ergibt somit insgesamt 172 neue und 21 erhaltene, d.h. vor der Versiegelung gerettete Brutplätze.
Links: Hölderlin-Gymnasium, Innenhof: 3 von 13 neuen Brutplätzen
Rechts: Lux-Harmonie-Zentrum, Altstadt: 4 neue Brutplätze
Links: Universitäts-Apotheke, Altstadt: 3 von 4 neuen Brutplätzen
Rechts: Belfortstraße, Weststadt: 1 neuer Brutplatz (von 7), sowie 2 erhaltene (dank einer seglerfreundlichen Eigentümergemeinschaft)
Das Interesse an unserer ursprünglich nur für den 01. Juli angekündigten Fahrradexkursion war so groß, dass wir diese am 09. Juli noch einmal wiederholen mussten (durften).
Bei an beiden Tagen angenehmen Wetterbedingungen fuhren wir vom Hauptbahnhof entlang der Weststadt zu den WOGE-und den Konvisionärshäusern. Im Mark Twain Village. Dort waren
kürzlich 8 Niststeine bzw. 14 Nistkästen in die jeweiligen Fassaden eingebaut worden.
Weiter ging es zu einem großen Wohnkomplex an der Ecke Römerstraße/Sickingenstraße, Heimstatt von über 30 Seglerpaaren. Im Innenhof stieß unsere Gruppe auf ein zunächst
argwöhnisches, dann wohlwollendes Interesse einiger Hausbewohner, darunter eines Herrn mit türkischen Wurzeln (?), der sich seit Jahren an „seinen“ Seglern erfreut.
Ob ich denn wüsste, dass die Mauersegler („ebabil“) schon im Koran erwähnt wurden? Diese hätten mit Allahs Hilfe ein Wunder vollbracht: ein Schwarm Mauersegler habe kurz vor der drohenden Eroberung und Zerstörung Mekkas und der Kaaba durch ein hoffnungslos überlegenes jemenitisches Elefantenheer - Sanaa wollte Hauptstadt und Heiligtum des Islam werden - mittels massenhaft aufgepickter und dann gezielt fallengelassener Steinchen den Feind in die Flucht geschlagen.
Meine spätere Internet-Recherche ergab, dass dieses Wunder in der 105. Sure (sog. Elefantensure) beschrieben und um das Jahr 570 n. Chr. datiert wird.
Unsere Tour ging dann weiter zu Kirsten Dressel, die in ihrem Vorgarten zwei ihrer ewig hungrigen, aus dem Nest gefallenen Mauerseglerküken demonstrierte, danach an weiteren
Brutquartieren vorbei bis zur Endstation unserer Exkursion, der Pfarrkirche St. Johannes, wo in einem der queren Mauerdurchlässe 5 Kästen eingebaut und mit einer
Klangattrappe zur Anlockung von Seglern versehen wurden.
Angesichts der lebhaften Flugaktivitäten am Himmel über Rohrbach sowie der zahlreich dokumentierten und neu geschaffenen Brutplätze darf dieser Stadtteil getrost als die
Mauerseglerhochburg Heidelbergs bezeichnet werden.
Eine Notlage wie 2019 hatte es bisher noch nicht gegeben. Die ungewöhnlich frühe Hitzewelle Ende Juni zwang Seglerküken reihenweise aus ihren Dachquartieren. Viele von diesen haben den Sturz nicht überlebt.
Falls doch und rechtzeitig in Pflege genommen, (s. auch RNZ-Artikel vom 10./11. August über die wundersame Rettung eines Seglerkükens durch eine Katze) beanspruchten die Zöglinge eine überdurchschnittlich lange Aufzuchtzeit von 3-4 Wochen, was wiederum innerhalb weniger Tage unsere Aufnahmekapazitäten erschöpft und die beteiligten Ehrenamtlichen an die Grenze ihrer zeitlichen und nervlichen Belastbarkeit gebracht hat.
Unser Hilferuf in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 04. Juli brachte dann erste hoffnungsvolle Rückmeldungen interessierter „Päpplerinnen“; zwei von diesen konnten schon nach kurzer Einarbeitung Seglerküken anvertraut werden.
In dieser schweren Zeit ist der unermüdliche Einsatz von Kirsten Dressel (Heidelberg) und Christine Schröter (Mannheim) besonders hervorzuheben.
Sie haben nicht nur viele Jungsegler aufgezogen und erfolgreich ausgewildert, sondern standen auch als Ansprechpartnerinnen für die tierärztlichen Praxen im Rhein-Neckar-Raum zur Verfügung und stellten bei medizinischen Notfällen den Kontakt zur Mauerseglerklinik in Frankfurt her.
Auch wenn eine so schlimme Saison wie 2019 eher nicht zu erwarten ist, sollten wir gewappnet sein. Kirsten Dressel wird sich dankenswerterweise um die Information und Koordination von Pflege-Interessierten („Päpplernetzwerk“) kümmern und so hoffen wir, dass sich Notlagen und Überlastungssituationen wie 2019 nicht wiederholen.
Enorm verbessert hat sich die Heidelberger Brutplatzsituation, sodass wir hier in absehbarer Zukunft auf ein ausreichendes „Wohnungsangebot“ für unsere Mauersegler hoffen können.
Allerdings zeichnet sich seit ein paar Jahren in unserem Land eine weitere bestandsbedrohliche Entwicklung ab, die nicht ernst genug genommen werden kann, das sog. Insektensterben.
So sind nach einer Mitteilung des BUND vom März 2018 in den vergangenen 27 Jahren mehr als 75 % aller Insekten aus der Luft verschwunden!! Wird umweltpolitisch nicht bald entschieden gegengesteuert, sind katastrophale Folgen unvermeidlich, nicht nur für die Mauersegler.
Zur Erinnerung noch 2 Termine:
24.03.2019, 19.00 Uhr: Jahresversammlung des AK Mauersegler im NABU-Zentrum, Schröderstraße 24, 69120 Heidelberg
06. 07. 2019, 19.00 Uhr: Fahrradexkursion zu den Mauerseglern. Treffpunkt Eingang Hauptbahnhof HD, Anmeldung im NABU-Zentrum, Tel. HD 600705 (Teilnehmerzahl begrenzt)
Spenden:
Noch etwas: Wir freuen uns immer über Spenden, und seien diese auch noch so bescheiden, sie bewirken Gutes. Unser Konto beim NABU Heidelberg:
IBAN DE 15672500200000032913-/Kennwort: Mauersegler
stößt vor allem wegen laufend steigender Futter- und Nistkastenkosten immer wieder an seine Grenzen.
Und mit dieser Bitte verbleibe ich in der Hoffnung auf ein gutes Mauerseglerjahr 2020 sowie mit den besten Grüßen und Wünschen
Volker Voigtländer
Vorsitzender des AK „Mauersegler“ beim NABU Heidelberg
Letzte Aktualisierung: 27.01.2022 (MP)