Liebe Mauerseglerfreundinnen und -freunde,
Nach 2019, dem schlimmsten Jahr „ever“, waren wir voller Hoffnung, dass es nur noch besser werden könnte.
Doch im Frühjahr 2020 erreichte uns schon wieder eine Hiobsbotschaft, dieses mal aus Griechenland. Durch einen katastrophalen Wettereinbruch mit Temperatursturz und orkanartigen
Stürmen fanden Tausende von Mauerseglern und Schwalben den Tod im ägäischen Meer wie auch auf den Inseln und dem griechischen Festland. Einige der total entkräfteten Vögel konnten wohl aufgrund
der schon geltenden ersten Corona-Sperre - die Straßen waren kaum befahren - gerettet werden.
Was nun die Heidelberger Mauersegler betrifft, so kamen diese bis auf wenige Ausnahmen mit ein paar Tagen Verspätung zurück. Mitte Mai aber war der Himmel über uns wieder ordentlich belebt und
das Brutgeschäft konnte beginnen.
Insgesamt lief die Saison nicht schlecht.
Es gab keinen Wettersturz, keine Schafskälte, keinen Dauerregen und bis Ende Juli keine so brutalen Hitzewellen wie im Vorjahr. Dennoch waren unsere Aufnahmekapazitäten für gestrandete Seglerküken und verletzte Altvögel erneut schnell erschöpft.
Betrüblich war, dass wir pandemiebedingt keine Jahresversammlung abhalten konnten, auch nicht im Herbst, dass mehrere geplante Vorträge aus unserem Arbeitskreis ausfielen und dass die für Ende Mai geplante „6th International Swift Conference“ in Segovia (SP), für die ich zusammen mit Herrn Matthias Bösl vom NABU Worms einen Vortrag angemeldet hatte, abgesagt werden musste.
Auch 2020 haben wir wieder viele neue Brutplätze (ca 70) in und um Heidelberg geschaffen (ohne Kirsten Dressels Zahlen).
Unsere wichtigsten Aktionen seien hier kurz aufgeführt:
Die Projekte 4 und 5 erfolgten in Zusammenarbeit mit dem BUND.
Links: Schlossmauer, integierte Brutnische. Mitte: Providenzkirche mit 18 Nistkästen. Rechts: Heuscheuer mit 7 Nistkästen hinter den Mauerlücken. Fotos: V. Voigtländer
Links: St. Pankratius-Kirche in Dossenheim: Sieben Kästen wurden hinter den Lüftungsschlitzen eingebaut (v. li.: R. Reetz, V. Voigtländer, M. Ziara). Rechts: Evangelische Kirche in Dossenheim: Fünf Kästen wurden installiert und die Einflüge seglergerecht angepasst. Fotos: V. Voigtländer
Inzwischen ist das Nistplatzangebot für Mauersegler im Rhein-Neckar-Raum reichlich. Dennoch müssen wir unbedingt wachsam bleiben und jeder auch nur vermuteten Zerstörung
langjähriger Brutplätze konsequent nachgehen, wenn nötig, auch mit Hilfe des Umweltamts.
Ich wiederhole mich, wenn ich von neuem auf die kurz-bis mittelfristige Bestandsbedrohung der Mauersegler (und vieler anderer Arten mehr) durch das Insektensterben hinweise. Die
rückläufige Entwicklung in Deutschland ist dramatisch und wird zunehmend wissenschaftlich objektiviert. So hat eine Studie der Technischen Universität München an 290 Standorten in 3 Regionen
(Areale in Baden-Württemberg, Thüringen, Brandenburg) innerhalb von nur 10 Jahren (2008–2017) einen Insektenschwund von 67 % in den Graslandschaften und um 40 % in den Wäldern
ergeben! Umgekehrt dagegen verlief im gleichen Zeitraum die Produktion und Anwendung des immer noch nicht verbotenen Glyphosphats mit erheblichen Zuwächsen.
Wir waren 13 Teilnehmer. Unsere Route führte in diesem Jahr vom Hauptbahnhof über die Belfortstraße 23 (Sanierungsprojekt mit 4 erhaltenen und 7 neu geschaffenen Brutplätzen) nach Bergheim
(Nistplätze: GGH-Hauptverwaltung, Wilckens-Schule, Altes Hallenbad, Altklinikum) und weiter über den Bismarckplatz in die Altstadt (Nistplätze: Plöck, Hölderlin-Gymnasium, Providenzkirche,
Lux-Harmonie-Zentrum, Universitäts-Apotheke, Heuscheuer, Alte Apotheke, Rathaus-Anbau, Kornmarkt und Kornmarkt-Parkhaus). An mehreren Stand-orten konnten wir pfeilschnelle Ein- und Ausflüge
beobachten. Ungewöhnlich und besonders erfreulich: Ein erst 2019 im Altklinikum eingerichteter Brutplatz war jetzt schon bezogen.
Der krönende Abschluss unserer Tour fand im Innenhof der Alten Gundtei statt. Dort stellte uns Marie Wieschen ihre beiden putzmunteren Seglerküken Athene und Garibaldi vor und beantwortete alle
Fragen zu deren Aufzucht und Pflege. Wenige Tage später konnte sie die im Vormonat aus dem Nest gefallenen bzw. geflüchteten und hilflos aufgefundenen Jungsegler – nun gut genährt und flugfit –
in die Freiheit entlassen.
Die gegenüber 2019 erhoffte deutliche Abnahme von Notfällen aller Art blieb leider aus. Ein ganz herzlicher Dank gebührt den Teams um Kirsten, Christine und Jeanette, die über 100 Seglerküken aufgezogen und ausgewildert, verunglückte Altvögel versorgt und Hilferufe aus der ganzen Republik beantwortet haben.
Inzwischen sind die Zeiten andere, sie haben sich unerwartet und radikal verändert. Es gibt bisher kein NABU-Jahresprogramm, Termine können nicht oder nur unter Vorbehalt genannt
werden und einigermaßen verlässliche Prognosen sind nicht möglich. Nach Maßgabe der im Laufe der kommenden Monate aktuell gültigen Lockerungen bzw. Einschränkungen werden wir kurzfristig Termine
für eventuelle Aktionen, Vorträge, Treffen und Exkursionen per Mail bekannt geben.
2020 war ein besonderes, ein verrücktes, ein verunsicherndes Jahr. Der schwedische Jazzposaunist Nils Landgren hat in der Süddeutschen Zeitung vom 17.12.20 einen Artikel
publiziert mit der Überschrift: „Das Jahr der Mauersegler“. In diesem beklagt er – gefangen in der ihm auferlegten schmerzlichen Isolation in Schwedens Süden – den Verlust von über 100 Auftritten
und den Ausfall seiner für den Dezember geplanten Deutschlandtournee mit 28 Konzerten unter dem Motto: „Christmas with my Friends“. Aber dann schöpft er Hoffnung und schreibt: „In diesem Jahr
haben wir erlebt, wie die Mauersegler in unser Dorf einzogen, und wir waren dabei, als sie wieder nach Süden verschwanden, nicht alle auf einmal, sondern in Gruppen und nacheinander … Wir
erwarten, dass die Vögel zurückkehren werden, im kommenden Jahr. Dann, so heißt es, werden die meisten Konzerte stattfinden, die in diesem Jahr hätten dargeboten werden sollen und verschoben
wurden. Hinzu kommen alle Konzerte, die von vorneherein für das Jahr 2021 geplant waren.
Das wird ein Getöse geben.“
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute für das noch junge Neue Jahr und verbleibe mit herzlichen Grüßen,
Volker Voigtländer
Arbeitskreis „Mauersegler“ beim NABU Heidelberg
Letzte Aktualisierung: 27.01.2021 (MP)