Liebe Mauerseglerfreundinnen und - freunde,
„Erfreulicherweise konnten die beiden Sorgenkinder Mauersegler sowie Mehlschwalbe zulegen“ so heißt es in der Bilanz der 18. Stunde der Gartenvögel. Ersterer habe sein seit Jahren bestes Ergebnis erzielt mit Rekordwerten in Leipzig, Schweinfurt und Weimar (Vögel 4/2022).
Natürlich halten solche Erfassungen wissenschaftlichen Kriterien nicht stand, auch das gute Flugwetter an den Zähltagen Mitte Mai mag zu dem günstigen Befund beigetragen haben, dennoch dürfen wir hoffen.
Insgesamt gab es 2022 wie schon im Jahr zuvor viel Licht aber auch viel Schatten.
Der Sommer war so heiß wie noch nie in Europa. Der bisherige „Rekord“ von 2021 wurde nochmals um 0,4 % überschritten. Erneut gab es unter den Seglerküken unzählige
Hitzeflüchtlinge. Andererseits hat die günstige Nahrungssituation aufgrund des insektenfreundlichen Klimas (ohne regnerische Kälteperioden) eine zügige
Brutsaison ermöglicht, sodass schon ab Mitte Juli viele Segler den Rückflug nach Afrika antreten konnten.
Beigefügt unten ist der sehr interessante Weihnachtsbrief der Frankfurter Mauerseglerklinik, die 2022 über 700 „Patienten“ aufgenommen und versorgt hat.
Neue Brutplätze
Insgesamt haben wir – z.T. in Zusammenarbeit mit Kirsten Dressel (K.D.) – 74 neue Brutplätze in unserer Region geschaffen. Hier die Bilanz:
1. Volkshochschule Heidelberg: 21 Kästen (mit K.D.)
2. Neues Collegium Academicum, Rohrbach: 8 Kästen
3. Gaiberg, Rathaus und Volksbank: 7 Kästen
4. St. Ilgen, Geschwister Scholl-Schule: 6 Kästen
5. Marienhaus Heidelberg: 6 Einflüge in den Traufkasten gefräst (mit K.D.)
6. Altklinikum Bergheim: 5 Kästen
7. Wieblingen: 5 Kästen
8. Marktkirche Neuenheim: 4 Kästen
9. Nussloch: 3 Kästen sowie Sicherung von 3 bekannten Einflügen (mit K.D.)
10.Bensheim: 2 Kästen
11.Schriesheim: 2 Kästen
12. HD-Neuenheim, Schröderstraße, 2 Kästen
13.HD-Neuenheim, Ladenburgerstraße, 2 Kästen (mit K.D.)
14.HD-Südstadt, Turnerstraße, 1 Kasten (mit K.D.)
Fast noch wichtiger als die Montage neuer Kästen ist die Bewahrung langjährig bestehender Brutplätze vor der Zerstörung, z. B. im Rahmen von Dachsanierungen. So hat Kirsten im letzten Jahr allein über 30 solcher Brutplätze „gerettet“. Bei Konflikten mit der Bauträgerschaft erweist sich das Umweltamt der Stadt dankenswerterweise als große Hilfe.
Notfälle
Auch die gab es wieder. An einem Gebäude in der Turnerstraße hatten sich innerhalb kürzester Zeit gleich drei Altsegler der beiden dort nistenden Brutpaare in von Spatzen
eingetragenen Schnüren verfangen und konnte gerade noch rechtzeitig von den Anwohnern befreit werden. Zwei von diesen mussten dennoch zur medizinischen Untersuchung zur
Mauerseglerklinik nach Frankfurt gebracht werden, von wo sie innerhalb eines Tages wieder abfliegen und
wohlbehalten zu ihrem Nistplatz zurückkehren konnten. Der dritte konnte nach Kontrolle durch Kirsten und Rücksprache mit der Klinik kurz danach wieder durchstarten.
Um Schlimmeres zu vermeiden, musste die Nistplatzsituation vor Ort dringend „entschärft“ werden. Mit dankenswerter, rascher Hubsteigerhilfe durch das Landschafts- und Forstamt haben wir das
verfängliche Nestmaterial aus beiden Nestern entfernt. Danach konnte die Brut erfolgreich fortgesetzt werden.
Wenige Wochen später verließen uns dann fünf Jungsegler zusammen mit ihren Eltern in Richtung Afrika.
Eine traurige Meldung kam aus Handschuhsheim. Hier wurde ein durch Plastikmaterial strangulierter Jungsegler tot aufgefunden. Ein ebenfalls auf Nestmüll
beruhender, tödlich endender Unfall ereignete sich in Leimen.
Dieses Problem ist sehr schwer zu lösen, da die meisten Seglerkästen genauso wie die „natürlichen“ Brutplätze für eine Wartung (bis zum nächsten Gerüst) nicht mehr zugänglich sind.
Erfolgreich verlief die folgende Aktion: Im Dach eines Nußlocher Privathauses hatten sich Altsegler schon mehrfach innerhalb der Einflugöffnung in einer Bretterspalte verfangen. Wiederholt musste die Feuerwehr gerufen werden. Kirsten hat nun eine Leiste mit drei Einfluglöchern konstruiert, die den gesamten, riskant unregelmäßigen Abstand zwischen den Dachziegeln und der Hauswand abschließt und damit für drei bekannte Brutplätze den Ein- und Ausflug sicherer macht.
Nach dieser Maßnahme verliefen die Bruten in diesem Jahr erfreulicherweise erfolgreich.
Exkursionen
Am 15. Mai, dem Tag der Natur, führten Kirsten und ich eine Gruppe von 15 Interessierten bei strahlendem Sonnenschein zu bekannten Nistplätzen in der Weststadt.
Die Mauersegler taten uns einen großen Gefallen und demonstrierten an mehreren Brutplätzen rasante Ein- und Ausflüge.
Am 27. Juni führten Kirsten und ich am 04. Juli je eine kleine Gruppe zu Brutplätzen in Rohrbach und Kirchheim bzw. in Bergheim und Neuenheim. Wieder einmal erwies sich die Fütterung hungriger Küken aus Kirstens Seglernachwuchs als die Attraktion.
Vorträge
Auf Einladung des Bensheimer Umweltamtes hielten Kirsten und ich am 12. Mai einen Vortrag über das Thema: „Mauersegler gefunden – was tun?“
Der Zuhörerkreis war klein, aber sehr kundig. In der anschließenden Diskussion wurden wertvolle Informationen ausgetauscht. Vor und nach dem Vortrag konnten wir mehrere Mauerseglerbrutplätze im
Dach des Bensheimer Rathauses ausmachen.
Vom 25.–27. Mai fand endlich die schon für 2020 geplante und coronabedingt verschobene „6th International Swift Conference“ in Segovia/Spanien mit ca. 100
Teilnehmer:innen aus aller Welt statt, eine tolle Veranstaltung mit vielen spannenden Vorträgen und Exkursionen.
Wir waren vertreten mit einem Vortrag über die Vereinbarkeit von Artenschutz und Denkmalschutz am Beispiel historischer Gebäude in der Rhein-Neckar-Region.
Segovia ist stolz auf seine Mauersegler. Überall in der Stadt finden sich künstlich angelegte Brutnischen, vor allem in den zahlreichen historischen Gebäuden. Überwältigend ist das Flugschauspiel am römischen Aquädukt, in dessen Mauerlücken hunderte Segler alljährlich ihre Jungen großziehen.
Wie weit die Leidenschaft für Apus apus gehen kann zeigt die Hinteransicht eines Wissenschaftlers, Leiter einer der größten Aufzuchtstationen in Spanien.
Zum Vormerken
Ein Vortrag von mir am 26.04.23, 19.00 Uhr in der Heidelberger Volkshochschule mit dem Thema: Sommerboten und faszinierende Flugkünstler – Wie geht es unseren
Heidelberger Mauerseglern?
Spendenkonto
Dieses macht derzeit große Freude. Unser Spendenaufruf in der Rhein-Neckar- Zeitung vom 26. Juli stieß auf eine überwältigende Resonanz. Es gingen fast 100 Spenden ein von insgesamt über 7.000 €! Damit konnten und können wir uns an den hohen Futterkosten für gestrandete Hitzeflüchtlinge beteiligen, den Kurierdienst unterstützen und Nistkästen finanzieren.
Ausblick
Nach wie vor macht uns die Aufzucht von aus dem Nest geflüchteten Seglerküken personell und finanziell große Sorgen. Ohne den unermüdlichen Einsatz von Jeanette (Gorxheimertal)
mit ihrem kurz vor der Eintragung stehenden Verein „Mauerseglerhilfe Apus“, und ohne Kirsten und den Kurieren sähe die Lage katastrophal aus.
Dank dieses imponierenden Netzwerks konnten im vergangenen Jahr über 300 (!) Segler, vor allem Küken, versorgt, aufgezogen und erfolgreich ausgewildert werden.
Auch in Zukunft ist eine Entlastung wenig wahrscheinlich, weitere Hitzesommer sind prognostiziert. Wir müssen also weiter Spenden einwerben und Ausschau nach begeisterungsfähigem
Helfer/innen-Nachwuchs halten.
Mit nachträglich allen guten Wünschen zum Neuen Jahr und in der Hoffnung auf eine erfolgreiche Mauerseglersaison 2022, sowie mit herzlichen Grüßen,
Volker Voigtländer
Arbeitskreis „Mauersegler“ beim NABU Heidelberg Heidelberg, im Januar 2023
Letzte Aktualisierung: 25.03.2023 (MP)